Hausaufgaben, wie sie seit Generationen bekannt sind, könnten in Zukunft passé sein: Zwei der sechs GBS-Standorte, die an der Initiative „Wir gehen aufs GANZE!“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg teilnehmen, haben innovative Ersatz-Modelle eingeführt, die mehr Lernerfolg versprechen. An der Grundschule Lohkampstraße dürfen die Kinder an zwei Nachmittagen in der Woche ohne Zwang und Druck Mathematik oder Deutsch lernen – durch ganz spezielle Spiele. An der Grundschule Traberweg entscheiden die Kinder der Klassen eins bis drei an allen Nachmittagen selbständig, welche Angebote sie annehmen, welche Räume sie aufsuchen oder mit wem sie spielen. Eigenverantwortung und spielerisches Lernen stehen an beiden Standorten im Vordergrund.
„Hausaufgaben gibt es seit Jahrhunderten. In den letzten Dekaden wurden sie jedoch immer umstrittener. Vielfach werden daher bundesweit neue und bessere Wege gesucht“, erläutert Martin Peters, Referent für Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung beim Paritätischen Hamburg. Denn oft bedeuteten Hausaufgaben Druck und Zwang. „Was ohne Freude und Motivation erledigt wird, bringt wenig.“
Daher machten sich Lehrer und Erzieher an der Grundschule Lohkampstraße intensiv Gedanken, wie sie Hausaufgaben verändern können. Dazu fand auch eine Befragung der Kinder statt. „Die Kinder wünschten sich mehr Abwechslung, mehr Entscheidungsfreiheit sowie die Möglichkeit, Aufgaben nicht einzeln sondern gemeinsam mit Freunden zu erledigen“, fasst Schulleiterin Annika Pfeiffer das Ergebnis zusammen. Die Folge: An zwei Nachmittagen pro Woche gibt es keine klassischen Hausaufgaben mehr sondern sogenannte Trainingszeiten. Dienstags dreht sich alles um Deutsch, mittwochs um Mathe. „Hierbei nutzen die Kinder spezielle Übungsmaterialien, die ihnen auf entspannte Art beispielsweise Rechnen, räumliches Denken oder Rechtschreibung nahebringen“, erklärt GBS-Leiterin Claudia Lanz. Die Kinder entscheiden selbständig, ob sie sich etwa mit Schach oder mit 1x1Bingo beschäftigen wollen. „Sie lernen freiwillig und sind dadurch von sich aus motiviert. Somit ist der Lernerfolg viel größer als mit klassischen Hausaufgaben.“ Das wirke sich spürbar im Unterricht aus. Lehrer und Erzieher haben die spielerischen Materialien in der gemeinsamen Stunde mit den Kindern erlernt. Somit ist sichergestellt, dass beide GBS-Teile ein gemeinsames Verständnis über die Lern-Ziele haben.
An der Grundschule Traberweg gehören Hausaufgaben seit März für die Klassen eins bis drei vollständig der Vergangenheit an. „Wir haben die strikte Taktung – Mittagessen, Hausaufgaben, Kurse – aufgelöst, damit die Kinder selbstbestimmt ihren Neigungen nachgehen können. Sie dürfen nun frei entscheiden, welche Angebote sie annehmen, ob sie mit Freunden toben oder spielen oder einfach mal nichts tun wollen“, so GBS-Leiterin Inge Schröder. Die Bildung kommt dabei nicht zu kurz. Die Kinder lernen zum Beispiel im Rollenspiel Regeln auszuhandeln, andere Rollen und Sichtweisen einzunehmen oder eigene Erlebnisse zu verarbeiten. Im Kreativraum geht es um Konzentration, Fingerfertigkeit und Mathematik. „Wir fördern so nicht nur schulische sondern auch emotionale, soziale und motorische Kompetenzen. Das ist ein enormer Gewinn für die Kinder“, ist Schulleiter Jörg Behnken überzeugt.
An beiden Standorten waren die Eltern zunächst skeptisch. Doch sie wurden vorab umfassend informiert oder waren in den Prozess eingebunden, sodass Bedenken und Ängste aufgefangen werden konnten. Außerdem zeigte sich schon nach kurzer Zeit, dass die Kinder deutlich entspannter sind. Gleichzeitig können Erzieher und Lehrer nun leichter im Blick behalten, welches Kind gezielte Unterstützung benötigt. Lernerfolge sind so auch ohne Arbeitsblätter und Kontrolle möglich.